Deutsch-Japanisches Studienprogramm: Fachkräfte aus Japan erkunden das deutsche Bildungssystem
Wie gelingt soziale Bildung in einer Zeit, in der Schule weit mehr als nur ein Lernort ist? Diese Frage führte japanische Fachkräfte aus Kinder- und Jugendeinrichtungen im Herbst 2025 im Rahmen eines deutsch-japanischen Studienprogramms in verschiedene soziale Bildungseinrichtungen in Deutschland.
Gespräche mit Lehrkräften, Eltern und Jugendlichen zeigten, wie hierzulande Verantwortung, Mitbestimmung und Gemeinschaft im Bildungsalltag gelebt werden. Doch auch die Teilnehmenden des Studienprogramms brachten spannende Eindrücke mit. Schuluniformen in Japan? „Längst überholt“, sagten die japanischen Fachkräfte. Früher wurden sie streng geregelt und gehörten zum Schulalltag dazu. Mittlerweile werden sie eher an den weiterführenden Schulen getragen und alle Schülerinnen und Schüler würden bei der Auswahl mitbestimmen dürfen. Während Mädchen früher beispielsweise nur Röcke tragen durften, seien nun auch Hosen ganz legitim.
Ziel des Programms ist es, das deutsche System der sozialen Bildung kennenzulernen, Einblicke in die pädagogische Praxis zu erhalten und den interkulturellen Austausch zwischen Fachkräften zu fördern.
Während ihres Aufenthalts besuchten die Teilnehmenden Fachvorträge, Ganztagsschulen, Jugendeinrichtungen und sozialpädagogische Projekte in vielen deutschen Städten. Im Mittelpunkt standen dabei Fragen rund um die frühkindliche Bildung, die Partizipation von Kindern und Jugendlichen sowie die Zusammenarbeit zwischen pädagogischen Fachkräften, Eltern und Schulen. Besonders großes Interesse zeigten unsere japanischen Gäste an den Strukturen der Sozialarbeit und an den Möglichkeiten, junge Menschen in ihrer persönlichen und sozialen Entwicklung zu unterstützen.
Begrüßt wurden sie am Montag, den 03.11.2025 in der Mensa des Christlichen Spalatin-Gymnasiums von Verteter/innen der Lehrerschaft, der Schulsozialarbeit, der Elternvertretung sowie engagierten Schüler/innen der Schule. Während einer Vorstellung des Schulalltags und Konzepts konnten erste Eindrücke des Spalatin-Gymnasiums gewonnen werden. Im Anschluss folgte eine Präsentation der Schulsozialarbeit im Altenburger Land. In Gesprächsrunden wurden dann unterschiedliche Perspektiven und neue Ansätze ausgetauscht.
Der Dialog zeigte, wie vielfältig pädagogische Konzepte in beiden Ländern sind – und wie beide Seiten voneinander lernen können. Themen wie das Verhältnis zwischen Schule und Elternschaft, außerschulische Beteiligung von Kindern und Jugendlichen sowie die psychologische Betreuung durch Lehrkräfte oder Schulsozialarbeiter/innen standen dabei im Mittelpunkt.
Dass es engagierte Schülerinnen und Schüler nicht nur an unserer Schule gibt, wurde im Gespräch deutlich. Während sich Schüler/innen unserer Schule durch ihre Arbeit in der Schülermitverwaltung, der Schülerzeitung oder durch Engagement zu schulischen Veranstaltungen auszeichnen, sei es in Japan oft von den Schulen und Kommunen selbst abhängig. Teilweise würden die Schüler/innen ihre Schule sogar im Fernsehen vertreten, wodurch eine enge Zusammenarbeit zwischen Schule und Schülerschaft gegeben sei.
Auch in der Schülerzeitungsarbeit ließen sich einige Unterschiede feststellen. Eine japanische Fachkraft bestätigte uns, dass sie während ihrer Schulzeit selbst in einer Schülerzeitung mit dem Namen „Flügel des Adlers“ mitgearbeitet habe. Derzeit, so sagte sie, würden an den weiterführenden Schulen größtenteils digitale Schulportfolios existieren, in denen die Schülerschaft Berichte über Veranstaltungen schreibt.
Während die Schülerinnen und Schüler Japans, wie aus dem Gespräch hervorging, also großes Engagement daran zeigen, ihre Schule zu repräsentieren und mitzuwirken, wurde im Austausch deutlich, dass im Gegenzug kein großes Interesse darin bestände, sich als Elternsprecher zu engagieren – ein großer Unterschied zum Spalatin-Gymnasium, wo die Elternvertretung sowohl an Veranstaltungen als auch aktiv im Förderverein einen großen Beitrag zum Schulleben leistet.
Gleichzeitig sei die Schulsozialarbeit, wie sie an unserer Schule stattfindet, ein großer Gegensatz zur pädagogischen Betreuung in den Schulen Japans. Oft seien die Rollen der Vertrauenslehrer, der Schulsozialarbeiterin sowie betreuenden Lehrkräften nur durch eine Person vertreten, welche für die Wissensvermittlung sowie den sozialpädagogischen Hintergrund zuständig sei. Des Weiteren gebe es einen Schulpsychologen, welcher in den Schulen oft nur zwei bis drei Tage präsent ist. Dadurch falle es den Schüler/innen oft schwer, sich zu öffnen.
Doch auch der Umgang mit den sozialen Medien und die Handyregelung wurden zum Gespräch. Beispielsweise erzählten uns die japanischen Fachkräfte von einem Mobilfunkgespräch, das in den fünften bis sechsten Klassen stattfindet und ähnlich wie unsere Präventionsprojekte im GL-Unterricht der Aufklärung über Gefahren und Risiken im Netz dient. Bezüglich der Handyregelung bestätigten einige japanische Fachkräfte das strikte Nutzungsverbot. Darüber hinaus müssten Eltern beantragen, dass ihre Kinder ein digitales Endgerät mit in die Schule nehmen dürfen und es vor dem Unterricht im Lehrerzimmer abgeben.
Sowohl die deutschen als auch die japanischen Beteiligten betonten die Wichtigkeit des internationalen Austauschs. Des Weiteren berichteten sie, dass der Austausch neue Impulse für die eigene Arbeit gegeben habe. Das Studienprogramm ist ein Kooperationsprojekt von der Fachstelle für Internationale Jugendarbeit der Bundesrepublik Deutschland e.V. (IjAB) und des Japanisch-Deutschen Zentrum Berlin (jdzb) und wird vom Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert. Ziel ist es, nachhaltige Kooperationen zwischen Einrichtungen beider Länder zu fördern und gemeinsam Strategien für die Zukunft der Kinder- und Jugendarbeit zu entwickeln.
Gwendolin Gäbler (12b)
in Zusammenarbeit mit Holly Scheffel (8a), Pia Schirmer (8a) und Meggie Thiele (8a)
